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Genereller Leinenzwang in Niedersachsen

B. Leinemann

Liebe Hundefreunde,

 

wenn es nach dem derzeit geltenden Gesetz geht, haben unsere vierbeinigen Freunde in Niedersachsen alljährlich wieder pünktlich zum 1. April bis 15. Juli nichts anderes mehr im Kopf als Rehkitze zu killen und Nester zu zerstören. Selbst die, die gut erzogen ausschließlich auf den Wegen bleiben und wildrein sind, ebenso wie Welpen und Senioren.

 

Das Niedersächsische Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung verbietet das Streunen und Wildern ganzjährig, ebenso wie das Betreten von Wiesen im Aufwuchs und von bestellten Äckern. Der zusätzliche generelle Leinenzwang in der Brut- und Setzzeit bestraft somit in erster Linie diejenigen Hundehalter (und deren Hunde), die sich die Mühe gemacht haben, ihre Hunde so gut zu trainieren, dass sie zuverlässig auf den Wegen bleiben und weder stöbern noch hetzen.

 

Nur in Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt gibt es einen generellen Leinenzwang in der Brut- und Setzzeit. Schon dies allein beweist, dass es mit dem Nutzen nicht weit her sein kann, denn die Wildpopulation wird anderswo durch freilaufende Hunde offensichtlich nicht dezimiert.

Eingeführt wurde dieser monatelange Leinenzwang in Niedersachsen von dem Ministerpräsidenten und passionierten Hobbyjäger Ernst Albrecht und einem Ministerium, in dem nahezu jeder zweite Minister ebenfalls Jäger war. Verärgert über entgangene Jagderfolge forderte Albrecht einen ganzen Maßnahmen-katalog gegen Störungen im Revier, u.a. ganzjährigen Leinenzwang in Wald und Feld und ein nächtliches Betretungsverbot des Waldes für Nicht-Jäger. Durchsetzen ließ sich allerdings nur der generelle Leinenzwang in der Brut- und Setzzeit unter dem Vorwand des Natur- und Tierschutzes. Tatsächlich dient er in erster Linie den Interessen der Jäger. Ch. Wulff mußte zurücktreten wegen der Verquickung von Privatinteressen und Amt; wenn es um die Eigeninteressen von Hobbyjägern geht, sieht man es offensichtlich nicht so streng.

 

Der pauschale Charakter dieses Leinenzwangs wird seit Jahren von diversen Tierschutzverbänden kritisiert, denn je nach (rassespezifischen) Bedürfnissen seines Hundes befindet sich der Hundehalter im Konflikt mit dem Tierschutzgesetz.

Das Gesetz gilt völlig unabhängig von der tatsächlichen Gefahr für Wild und Vögel!
Regionalen Gegebenheiten und Notwendigkeiten wird in keinster Weise Rechnung getragen. Die Gemeinden dürfen den Leinenzwang nur ausweiten, nicht aber mindern.

Selbst offizielle Hundeauslaufgebiete (die es in ländlichen Regionen allerdings eher nicht gibt) unterliegen 3 1/2 Monate lang dem Leinenzwang, sofern sie per Definition als "freie Landschaft" gelten (und das ist so ziemlich alles außer öffentliche Straßen, Gärten und Höfe). Im Klartext: Gerade in der Zeit, in der man Hundeauslaufgebiete am dringensten benötigt, stehen sie nicht zur Verfügung.

 

Während der Brut- und Setzzeit dürfen Wald- und landwirtschaftliche Arbeiten durchgeführt werden, darf gejagt werden, dürfen Erholungssuchende Wald und Flur durchstreifen, NordicWalker lautstark durch die Gegend klappern, Mountainbiker jeden noch so schmalen Pfad herabsausen, kreischende Kinder Wald und Feld als Spielplatz benutzen, am „Vatertag“ johlende Horden mit Bollerwagen durch die Gegend ziehen, lärmende und grillende Badegäste die Seenufer belagern, alle paar Meter um den See aufgereihte Angler die Brutvögel vertreiben etc. etc. etc.
Hunde dagegen werden als DER große Störfaktor diskriminiert.

 

Wiesen und Wegesränder werden bereits im Mai gemäht. Wer aber seinem unangeleinten Hund vor dem 16. Juli auf einer frisch gemähten und somit garantiert wildfreien Wiese einen Ball wirft, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die bis zu 5.000,- € kosten kann. Noch absurder zeigt sich der Leinenzwang auf regelmäßig gepflegten Freizeitwiesen mit kurz gehaltenem Rasen, die sich Hundehalter mit Sportlern, Picknickern und anderen Erholungssuchenden teilen. Fußballspielen stört das Wild offiziell wohl nicht, ballspielende Hunde dagegen sind eine Gefahr.

Hunde, die der Ausübung der Jagd dienen, müssen übrigens nicht angeleint werden. Das Wild fürchtet nämlich nur die bösen Hunde der Spaziergänger, die der Jäger sind ihm lieb und vertraut. ;-(

 

Mangelnde Auslastung ist eines der Hauptprobleme der Hundehaltung, insbesondere bei der Haltung sog. Arbeitsrassen. Unausgelastete Hunde neigen eher zu unerwünschtem Verhalten. Der monatelange Leinenzwang verschlimmert das Problem und schafft u.U. genau die Hunde, die auf jeden Reiz reagieren, vor denen das Wild geschützt werden muß.

 

Kurz gesagt, wo in unserer Zivilisationslandschaft durch etliche menschliche Aktivitäten das Wild sowieso vergrämt wird, entbehrt der generelle Leinenzwang für Hunde jeglicher Verhältnismäßigkeit. Entsprechend wenig wird er von den Hundehaltern akzeptiert. Die Gemeinden sehen das jedoch als willkommene Gelegenheit, die Kassen aufzubessern. Abkassiert wird i.d.R. dort, wo sich viele Menschen/Hundehalter aufhalten (und somit "fette Beute" versprechen) und entsprechend wenig Wild und Brutvögel, wo also die Hunde gar keine Gefahr für die Tiere darstellen...

 

Die hannoversche Gesellschaft zur Förderung der Kleintiermedizin hatte 2014 eine Initiative ins Leben gerufen, um gegen den unsinnigen Pauschal-Leinenzwang anzugehen. Über 13.000 Unterschriften wurden dem Niedersächsischen Landtag und dem Ministerium für Landwirtschaft übergeben. Eine Bearbeitung des Anliegens wurde zugesagt, doch bislang hat sich rein gar nichts geändert.